In dieser Übersichtsarbeit fassen wir die aktuellen klinischen Daten für eine kardioprotektive therapeutische Rolle von Melatonin zusammen, geben einen Überblick über Melatonin und seine Agonisten in verschiedenen Entwicklungsstadien und evaluieren die Wahrscheinlichkeit der kardioprotektiven Effektivität von Melatonin und die Prognose mit Hilfe des maschinellen Lernens auf ChEMBL.
Bis dato befinden sich die meisten klinischen Studien, die eine kardioprotektive therapeutische Rolle von Melatonin untersuchen, in Phase 2a. Die selektiven Melatoninrezeptor-Agonisten Tasimelteon, Ramelteon und das kombiniert melatonerge und serotonerge Agomelatin sowie andere Agonisten mit in ChEMBL registrierter Struktur wurden bislang noch nicht als kardioprotektive oder kardiovaskuläre Wirkstoffe untersucht. Als potenzielle Wirkstoffe für diese therapeutischen Indikationen besitzen Melatoninrezeptor-Agonisten gegenüber Melatonin den Vorteil eines gut dokumentierten pharmakologischen Profils und umfangreicher Sicherheitsdaten. Aktuelle Berichte über die radiologisch darstellbare Kristallstruktur der MT1- und MT2-Rezeptoren sollten zur Entwicklung hochselektiver Melatoninrezeptor-Agonisten führen. Vorhersagemodelle basierend auf maschinellem Lernen könnten dazu beitragen, kardiovaskuläre Targets für Melatonin zu identifizieren. Durch Auswahl von ChEMBL-Scores > 4,5 in kardiovaskulären Assays und Melatonin-Scores > 4 erhielten wir 284 Einträge aus 162 kardiovaskulären Assays 80 Molekülen mit einer vorhergesagten oder gemessenen Melatonin-Aktivität. Die in diesen experimentellen kardiovaskulären Tests und Modellen gefundenen (agonistischen oder antagonistischen) Melatoninwirkungen umfassen Indikationen wie Arrhythmien, die Kontraktilität von Koronar- und großen Gefäßen sowie Bluthochdruck.
Präklinische Proof-of-Concept- und frühe klinische Studien (Phase 2a) deuten auf einen kardioprotektiven Nutzen von Melatonin bei verschiedenen Herzerkrankungen hin. Es sind jedoch größere randomisierte, interventionelle Phase-3-Studien erforderlich, um die Wirkungen von Melatonin und seinen Agonisten als kardioprotektive Therapeutika nachzuweisen.